Was ist Horsemanship?
Um eines vorweg zu nehmen, für mich ist Horsemanship keine Reitweise, sondern eine Lebenseinstellung. Ich bezeichne mich nicht als Horsemanship-Trainer, da ich in dieser Richtung keinen Schein oder eine sonst wie geartete Ausbildung absolviert habe. Ich habe mein bronzenes Reitabzeichen (ja, das gab es mal), bin Centered Riding-Instructor, bin Coach für Perspektivenentwicklung (GfP) und 2002 kam ich bei Judith Mauß das erste Mal mit dem Thema „Horsemanship“ in Berührung. Sprich seit 15 Jahren entwickelt sich das, was da als Horsemanship bezeichnet wurde, für mich immer weiter. Durch Menschen wie Judith Mauß, Nadja Zolles, Ian Benson, Honza Blaha und viele Menschen, die noch nicht so berühmte Namen haben, aber viel Wissen weitergeben, wie meine liebe Freundin Hanna, entwickelte sich das immer weiter!
Das heißt ein permanentes Arbeiten an mir selbst, sowohl an Körperhaltung, Körpersprache, Emotionen, Konsequenz, Respekt und Fairness. Mir wurde in dieser Zeit aber auch bewußt, dass ich früher schon vieles aus dem Bauch heraus richtig machte, aber auch leider genauso viel falsch. Aber Gott sei Dank, hat man ja immer die Möglichkeit, sich weiter zu bilden und sein eigenes Handeln zu überdenken und zu ändern.
So gehört das, was viele als Horsemanship bezeichnen, bei uns zum täglichen Umgang mit unseren Pferden. Wir hören hin, respektieren und werden respektiert. Das bedeutet auch ein hohes Maß an Selbstreflexion.
Seit 2014 komme ich immer öfter in den Genuss Menschen, nicht nur Reiter, zu unterrichten, was das Thema Bodenarbeit angeht. Diese kennen mich teilweise schon sehr lange und ihnen ist der Umgang mit unseren Pferden aufgefallen. Sei es einfach bei einem zufälligen Treffen bei einem Spaziergang mit dem Pferd, indem mein Pferd einfach mal ruhig, nicht still und starr, neben mir steht und mich nicht ständig zum nächsten Grasbüschel zerrt. Da kommt dann oft die Aussage, „ach, das ist aber ein braves Pferd, mit meinem geht das nicht“. Mein Pferd ist alles andere als „brav“, es ist clever, intelligent, manchmal sehr zickig, als Phosphortyp schneller auf 100 als jeder Porsche. Das, was man da so locker sieht, ist harte Arbeit an uns selbst.
Basisarbeit und Zielsetzung
Bei diesen Unterrichts-Einheiten geht es mir nicht um das Erlernen irgendwelcher Lektionen, sondern schlicht weg um die wesentlichen Basics. Sowas wie Respekt, Achtsamkeit, Körpersprache, Ziele setzen. Ein Zuhören von beiden Seiten! Das sind z.B. so „einfache“ Dinge wie Abstand halten, führen und anhalten.
Ich persönlich bin froh für jeden, der anfängt umzudenken oder sich einfach weiter entwickeln möchte. Darüber nachdenkt, dass es durchaus nicht normal ist, wenn man ständig hinter seinem Pferd hergeschleift wird. Dass man sich schon einen gewissen Respekt erarbeiten muß und dies nicht mit Gewalt und Druck funktioniert. Dass es an uns Menschen selbst liegt.
Die Pferde sind wie sie sind, wir müssen uns ändern, um was zu verändern. Viele sind sich gar nicht bewußt, wie viel sie um ihr Pferd rumturnen, was für ein Gehampel sie vollführen, wie leicht sie sich aus dem Konzept bringen lassen. Abgesehen davon, dass sie gar nicht wissen, was sie wollen. Ihnen ist ihr Ziel eigentlich gar nicht bewußt.
Für das Pferd muß ich immer klar, konsequent, nachvollziehbar, berechenbar und fair sein!
Körpersprache und Selbstkontrolle
Ich für mich, fange immer mit einem innerlichen „Würdest Du bitte, dies oder das tun…..“ an. Schon alleine dieser innerliche Satz verändert meine Körpersprache / -haltung sehr deutlich für das Pferd. Denn Pferde sind Meister im Lesen unserer Körpersprache! So hat es immer erst mal die Möglichkeit, schon auf diese Bitte zu reagieren. Und ich sage Euch, das tun viel mehr Pferde als ihr denkt!
In meinen Unterrichtsstunden muß ich das fremde Pferd oft erst mal in die Hand nehmen und selbst fühlen. Reagiert das Pferd wirklich nicht auf seinen Menschen oder macht der Mensch was falsch? Und ich muß ehrlich sagen, ich bin oft selbst überrascht (über mich selbst ;-)), wieviele Pferde auf mich dann doch sehr fein reagieren. Manchmal sind aber auch Pferde dabei, die brauchen länger, sie sind ja schließlich lange genug mit ihren Rüpeleien durchgekommen oder brauchen einfach mehr Zeit zum Denken.
Wichtig ist mir aber auf jeden Fall, dass wir immer wieder mit dem „Bitte“ anfangen und dem Pferd immer wieder die Chance geben, fein zu reagieren. Nur so bekomme ich ein feines Pferd und werde das auch in den Sattel mitnehmen. Ich weiß, dass ist manchmal sehr schwer und schult uns enorm in Sachen Geduld und Emotionen.
Nichts dauert länger als 2 Tage…. (Pat Parelli)
Das kann ich spätestens nachvollziehen, seit dem ich 2014 volle 6 Stunden versucht habe, unser Pony zu verladen. Mein Freund meinte nur noch, ich bewundere deine Geduld! OK, danach mußte ich erst mal alleine weg. Aber ich bin während der Verladeaktion nicht ausgeflippt, habe das Pferd nicht verprügelt oder meinen Emotionen sonst wie Ausdruck verliehen. In stoischer Ruhe bin ich an meinem Ziel geblieben. Letztes Jahr hat das Verladen dann doch noch mal 2 Stunden gedauert und eigentlich dachte ich schon, dass wird nix mehr. Grund für die Dauer war wohl, dass ich im Timing noch etwas besser werden mußte. Wieder ein Zeichen, wie genau einen Pferde beobachten. Und letzten Freitag hat der Spaßversuch Verladen noch 5 Minuten gedauert! Und wir können im Hänger auch 2 Schritte zurück und wieder vor gehen. Das macht mich stolz und belohnt mich für mein Durchhaltevermögen.
Die kleinen Dinge
Es fängt bei Kleinigkeiten an! Ich begegne einem Pferd respektvoll und erwarte das vom Pferd ebenfalls. Ich kann aber nicht erwarten, dass das Pferd sich mir gegenüber respektvoll verhält, wenn ich nicht voll bei ihm bin. Stichwort Handy!
Da sind so „Kleinigkeiten“, wie Hufe auskratzen. Wie viele versuchen immer noch, ihrem Pferd den Fuß unter dem Bauch wegzureissen? Oder „schieben“ ihr Pferd förmlich rum. Ich glaube es weiß jeder, dass man das mit Kraft bei dem Lebendgewicht nicht schafft. Wenn ein Pferd nicht will, dann bleibt der Fuß unten und das Pferd stehen, wo es eben steht. Für mich ist dieses Vorgehen gleichzusetzen mit:
„Das wäre, als wenn Deine Mutter reinkäme und Dir erst ein scheuert, bevor sie Dich bittet, aufzuräumen.“
Aber wie leicht ist es, wenn das Pferd gelernt hat auf leichten Fingerdruck zu reagieren. Es auf ein Streicheln am Bein sein Gewicht verlagert und seinen Fuß alleine hebt. Pferde spüren jede Mücke auf dem Fell, also auch ein sanftes Fingerauflegen.
Achtsamkeit lohnt sich, und das nicht nur bei den Pferden. Es schult uns auch im Umgang mit Menschen 😉
Was dich am meisten zur Höhe trägt, ist die Geduld mit dir selbst. (Franz von Sales)
Warum schreibe ich das?
Ich habe dieses Jahr etwa 20 unterschiedliche Menschen unterrichtet und bin dann doch etwas über die Reaktionen überrascht 😉 Mich kennt im örtlichen Reitverein kaum noch einer, weil ich seit über 10 Jahren mein eigener Herr bin. Habe selbst schon gefrotzelt, dass die Mädels dort wohl immer denken, was ist das für eine, die kann bestimmt nicht „reiten“. Reitet nur ins Gelände, auch noch mit Knotenhalfter und dazu hat die noch einen Helm auf. Und dann kam es, als jemand doch mal was bei mir im Shop vor Ort kaufte: „Ach ich dachte Du bist Western- oder „so ein“ Freizeitreiter!“
Ja, ich reite in meiner Freizeit, in meinem früheren Leben bin ich mal recht erfolgreich Turnier bis zur Kandaren-L geritten. Springen war nicht so meins, weiter als A-Springen habe ich es nicht geschafft, weil ich einfach zu viel Schiss hatte. Mein Pferd hätte mich wohl auch noch über einen M-Parcour getragen, aber ich habe gestreikt. Die M-Oxer bin ich nur mal zum Spaß in der Springstunde gesprungen. In Verbindung mit vielen In-Outs davor, konnte ja nix mehr schief gehen 😉 Heute reite ich alleine zum eigenen Vergnügen mal schön Dressur, einfach nur für mich und mein Pferd. Dabei mache ich oft das, was mein Pferd zu diesem Zeitpunkt zulässt und gut für uns ist. Schließlich wollen wir beide mit Spaß bei der Sache sein. Wieder zuhören, nachspüren, einfühlen…..
Und zum guten Schluß noch was zum Lachen. Nachdem ich jetzt diese Woche in den 3 Stunden Unterricht meine Haltung enorm verbessert haben muß, weil ich ständig wiederholte: „Groß machen, Schultern zurück, Brust raus“. Erzählte eine liebe Bekannte, die ich seit über 30 Jahren kenne, von der ich viel über Pferde lernen durfte (z.B. auch wie man Zöpfe in England näht), einen Joke aus Ihrer Schulzeit 😀 : „I must, I must, improve my bust!“
In diesem Sinne, habt Spaß und hört eurem Pferd zu!
Und hier noch ein paar Beiträge von anderen Bloggern zum Thema Horsemanship
- Nadja Müller von Verstehe Pferde: Was ist Horsemanship?
- Svenja Stuck: Natural Horsemanship was ist das eigentlich?
- Janet Metz: Warum Horsemanship jeden betrifft der mit Pferden zu tun hat!
- Jessica Freymark: Was für mich gutes Natural Horsemanship bedeutet